Wenn in Angerberg und den Weilergruppen rund um Embach der Dezember anbricht, liegt eine besondere Spannung in der Luft. Noch bevor die erste Wintersonne über den Inn steigt, wissen die Menschen hier:
Es dauert nicht mehr lange, bis die Peaschtln durchs Dorf ziehen.
Jener archaische Brauch, der zu den tiefsten und ursprünglichsten Winterritualen des Tiroler Unterlands zählt, verwandelt jedes Jahr für kurze Zeit die stillen Höfe in magische, manchmal auch unheimliche Schauplätze.
Ein Brauch, der älter wirkt als die Zeit Das Peaschtln ist weit mehr als ein vorweihnachtlicher Umzug.
Es ist ein lebendiges Stück überlieferter Kultur, das in Angerberg und Embach besonders ursprünglich erhalten blieb.
Hier verzichtet man bewusst auf jene modernen Perchten-Showelemente, die in manch anderer Region überhandgenommen haben. Keine pyrotechnischen Effekte, keine Plastiklarven, kein Spektakel um des Spektakels willen.
Stattdessen: schwere Holzmasken, oft aus Zirbe, traditionell geschnitzt und über Generationen weitergegeben, Bratschengewänder aus getrockneten Maisblättern, die bei jedem Schritt rascheln, dumpfe Trommelschläge, die tief in den Bauch fahren, markige Hörner, die durch die kalte Winterluft hallen, und die Hupfer, die mit ihren mächtigen Schellen hoch in die Luft springen, um Glück und Fruchtbarkeit zu bringen. Es ist ein Brauch, der sich nicht erklärt, sondern erlebt wird.
Der Moment, wenn sie kommen In Angerberg und den umliegenden Weilern gibt es kaum jemanden, der nicht spürt, wenn sich die Peaschtln nähern. Das Geräusch kündigt sie an: Erst ein fernes Pochen, dann ein rhythmisches Stampfen, schließlich das charakteristische Schellengeläut. Die Gruppen hier „Passen“ genannt, ziehen von Hof zu Hof.
Die Hex, eine Art Anführerin oder Wächtergestalt, geht meist voraus. Sie prüft, klopft an, führt die Gruppe in die Stube. Sobald die Peaschtln eintreten, erfüllen Lärm, Bewegung und archaische Energie den Raum.
Die Hupfer springen, so hoch sie können, denn ihre Sprünge stehen symbolisch für das Wachstum der Felder und die Kraft des kommenden Jahres. Ein alter Gedanke: Je höher der Sprung, desto besser die Ernte, desto sicherer das Glück.
Wenn die Gruppe weiterzieht, verlässt die Hex das Haus als Letzte und „kehrt aus“. Mit diesem symbolischen Austreiben der dunklen Wintergeister bleibt der Segen im Haus zurück. Warum gerade hier?
Angerberg und die verstreuten Ortsteile wie Embach gelten seit langem als Herzstücke des ursprünglichen Tiroler Peaschtlns. Hier wurde nie versucht, den Brauch zu modernisieren oder touristisch zu überformen.
Er blieb, was er immer war: ein Dorfritual, ein Familienerbe, ein tiefverwurzeltes Gemeinschaftserlebnis.
Viele der heute aktiven Peaschtln waren als Kinder bereits begeistert dabei. Manche tragen Masken, die schon ihre Großväter getragen haben.
Die Weitergabe erfolgt nicht über Vereine und Bühneninszenierungen, sondern von Mensch zu Mensch, von Hof zu Hof, von Generation zu Generation.
Ein Erlebnis zwischen Ehrfurcht und Faszination Für Außenstehende kann der Peaschtlnlauf gleichzeitig furchteinflößend und wunderschön sein.
Die Stimmung ist roh, ursprünglich und voller Symbolik. Man spürt, dass dieser Brauch nicht nachgebaut wurde, sondern gewachsen ist aus dem Leben der Menschen, aus ihrer Beziehung zur Natur, aus den dunklen Nächten des Winters.
Wer einmal erlebt hat, wie die Peaschtln durch Angerberg oder Embach ziehen, versteht, warum dieser Brauch bis heute lebendig ist: Er verbindet. Er berührt. Und er erinnert daran, wie wichtig es ist, Altes zu bewahren, ohne es zu verformen.